About the Work

Felicitas Hönicke, Berlin 2017

Oliver Mark war eine der ersten Personen, die ich 2015 in Berlin kennengelernt habe. Seitdem ist Zeit vergangen. Seine Einstellung zu Zeit und VergĂ€nglichkeit – seine Art, Momente festzuhalten, beschreibe ich hier jetzt, im Berliner November 2024.

Kurz nach unserem Kennenlernen fotografierte er mich zum ersten Mal. Warum ich das erwĂ€hne? Weil ich erzĂ€hlen möchte, wie ich mich dabei gefühlt habe – und glaube, dass viele seiner PortrĂ€tierten Ähnliches empfinden, spĂ€testens wenn sie das fertige Bild sehen – sofern ihnen nicht die eigene Eitelkeit dazwischenkommt. Das kann passieren, denn Mark hat eine eindringliche, interessierte und provokante Art zu sehen und zu fotografieren.

WĂ€hrend der Aufnahmen ist es oft schwer, in einen gleichmĂ€ĂŸigen GesprĂ€chsfluss zu finden, da er beim Fotografieren geradezu mit den Augen denkt. Und dann, ganz plötzlich, bringt er einen pointierten Witz oder einen Kommentar, der ihn aus der Distanz der Linse wieder direkt in die Situation holt – meist sind das die Momente, in denen das Bild entsteht Mark hat eine respektvolle und feinsinnige Art, mit seiner Umgebung und Spannungen umzugehen – doch hin und wieder provoziert er bewusst, um sein Gegenüber zu enthüllen. Dabei entsteht keine bloße Nacktheit (zumindest meistens), sondern er bringt StĂ€rke und einen Moment der Selbstbehauptung zum Vorschein, den er festhĂ€lt.
Neulich sagte er zu mir: „Alles hat seine Zeit.“ Diese kurze, aber wahre Aussage drückt seine wertschĂ€tzende Haltung zur VergĂ€nglichkeit und seine FĂ€higkeit aus, sie in seinen Bilder immer wieder zu hinterfragen. Einige dieser Bilder möchte ich mit den Erinnerungen von Oliver Mark zu ihren Entstehungsgeschichten anreichern.

Liebe Leser, greifen Sie sich ein Glas â€șORANGEâ€č Riesling 2022 (Weingut Melsheimer), legen Sie Ihre Lieblingsplaylist auf (Marks Tipp: Radio FIP, FR) – wir gehen der Reihe nach.

CV

Oliver Mark, geboren 1963, lebt und arbeitet in Berlin. Nach seiner Ausbildung zum Fotografen begann er seine Karriere in den Burda Fotostudios in Offenburg und ist seit 1992 als selbststĂ€ndiger Fotograf tĂ€tig. Er besuchte als Gaststudent die Seminare von Prof. Katharina Sieverding (Visual Culture) an der UniversitĂ€t der KĂŒnste Berlin und lehrte von 2012 bis 2014 Fotografie an der Fachhochschule Hannover.

Marks Arbeiten wurden in zahlreichen Publikationen veröffentlicht, darunter Architectural Digest, Rolling Stone, Les Inrockuptibles, Der Spiegel, SĂŒddeutsche Zeitung Magazin, Stern, Time, Vanity Fair, Vogue, Die Zeit, Zeit Magazin, The New York Times und The Wall Street Journal.

Seine Ausstellungs- und Publikationsprojekte sind international zu sehen, unter anderem in Deutschland, Österreich, Italien, Liechtenstein, Russland, RumĂ€nien, England, Irland, Schottland, Frankreich, Bulgarien und China. Zu den Höhepunkten zĂ€hlen eine Einzelausstellung 2017 in der GemĂ€ldegalerie der Akademie der bildenden KĂŒnste Wien und im Naturhistorischen Museum Wien sowie zwei Gruppenausstellungen in der National Portrait Gallery London. 2024 wird er in der Kunsthalle WĂŒrth in SchwĂ€bisch Hall mit einer Ausstellung zu KĂŒnstlerportrĂ€ts vertreten sein. Auf der Paris Photo 2024 werden neben Sigalit Landau, Erich Hartmann, Eikoh Hosoe und Chien-Chi Chang frĂŒhe und neuere Arbeiten in der ÂșCLAIRbyKahn Gallery gezeigt.

Erste Fotografie, MĂŒnchen 1972
Mit neun Jahren gewann Mark bei einem Malwettbewerb der Westdeutschen Zeitung den ersten Preis. Eine Reise zu den Olympischen Spielen 1972 in MĂŒnchen. Zu diesem Anlass schenkte ihm sein Vater seine erste Sucherkamera. Er machte einige Bilder, die ganz anders wirkten als die in den Zeitschriften, die er bis dahin kannte. Es entstand seine Begeisterung – hier zu sehen ist ein glĂ€nzender Silbergelatineabzug einer seiner ersten Fotografien.

Thalia, London 1983
Mit seiner ersten Spiegelreflexkamera, einer Yashica FR1 mit 50mm Objektiv machte er sein erstes PortrĂ€t: Es zeigt seine damaligen Freundin Thalia, die er auf einer Weltreise kennenlernte. Die Arbeit ist in ihrer SpontanitĂ€t und auch Sparsamkeit der Hostel-Umgebung wunderbar komponiert. Der Stuhl, auf dem Mark noch vor kurzem saß wurde kurz nach hinten geschoben und der Tisch reflektiert in dem Hinterhof mit Ziegelmauer und Topfpflanze das Licht.

A.R. Penck, NĂŒrnberg 1994
Sein erstes KĂŒnstlerportrĂ€t entstand mit einer Hasselblad 500 C/M, 80mm 2.8 CF*T Carl Zeiss Planar von A.R. Penck – das Interesse fĂŒr Kunst stammte von seinen Eltern, die selbst eine kleine Sammlung hatten. Das Bild hat er im Maritim Hotel in NĂŒrnberg gemacht und dafĂŒr zum ersten Mal einen selbst gebauten Hintergrund und ein gesetztes Blitzlicht verwendet.

Louise Bourgeois, New York 1996
Eigentlich war Mark in den USA als Modefotograf in 5–6-wöchigen AuftrĂ€gen tĂ€tig – alle zwei Wochen wechselte das Team aufgrund von Erschöpfung. Diese Kunstpause nutzte Mark fĂŒr PortrĂ€ts. Via Brief und Fax hat er mit Jerry, dem Assistenten von Bourgeois, ein Fototermin ausgemacht. Von der KĂŒnstlerin Louise Bourgeois hat Mark drei Filme Ă  12 Bilder mit einer Hasselblad aufgenommen. Nachdem sie entwickelt waren, saß er mit Bourgeois an einem kleinen KĂŒchentisch. Vor ihnen lagen Kontaktbögen und Negative. Sie hatte eine Schere in der Hand und zerschnitt nach und nach alles, was ihr nicht gefiel. Oliver wurde mit jedem Schnitt etwas kleiner, bis sie ihn nach seiner Meinung fragte – er zeigte auf zwei seiner Favoriten, die er dann auch behalten durfte.
Am Ende hatte er eine Handvoll Bilder und einen von ihr mit ihrem Vornamen signierten und einer kleinen Zeichnung versehenen Katalog ihrer damaligen Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg.

Andreas Slominski, Hamburg 1999
1999 portrĂ€tierte Mark den KĂŒnstler Andreas Slominski in Hamburg. MarkÂŽs Idee war es, mit ihm durch Radarfallen zu fahren um so eine Verbindung zu Slominski Werk herzustellen. BerĂŒhmt wurde er als »Fallensteller«, der Tierfallen zu Kunstobjekten umfunktionierte, um nicht Tiere, sondern sein Publikum festzuhalten. Insgesamt hat Mark die zulĂ€ssige Höchstgeschwindigkeit zusammen mit Andreas Slominski zweimal ĂŒberschritten. Leider hat Oliver Mark die Bußgeldbescheide inkl. Aufnahmen nie erhalten.

Sir Anthony Hopkins, Berlin 2001
FĂŒr das ZEIT Magazin machte Mark ein Close-up von Sir Anthony Hopkins. Um eine noch grĂ¶ĂŸere NĂ€he und IntensitĂ€t zu Hopkins und zum Betrachter aufzubauen hat er es mit einem Distagon 3.5/60mm fotografiert, welches eine Entfernung von ca. 1 Meter zum Protagonisten ermöglichte. Als Film wurde ein PORTRA 400 gepusht + 2 verwendet.

Richard Ford, Berlin 2002
Beim PortrĂ€t des Schriftstellers Richard Ford hat Mark nicht nur die Person, sondern auch ein StĂŒck Stadtgeschichte eingefangen. Das Foto entstand in einer leerstehenden Fabrik im Prenzlauer Berg, in einer Zeit vor der Gentrifizierung. Ford war anlĂ€sslich einer Lesereise in Berlin. Die Absprache vorab war kurz und knapp: Tag, Ort, Uhrzeit – und die Bitte, beige Kleidung zu tragen.

Lars von Trier, Kopenhagen 2003
Beim Blick auf das PortrĂ€t von Lars von Trier entsteht Bewegung – ein Effekt, der dem Hintergrund zu verdanken ist, den Mark fĂŒr diesen Auftrag vom Zeit Magazin gewĂ€hlt hat. Diese Bewegung hilft, sich der visuellen und gedanklichen Welt von Trier anzunĂ€hern, die er als Regisseur in seinen Filmen zum Ausdruck bringt. Die Muster im Hintergrund erzeugen eine optische TĂ€uschung – Bewegung entsteht also beim Betrachten. Dieser Effekt stellt sich bei dem PortrĂ€t ein, Ă€hnlich zu dem Schauen und Erleben von Triers Filmen.

Tom Hanks, Berlin 2004
Als Hanks und Mark im Adlon fĂŒr ein Fotoshooting aufeinandertrafen ergab sich folgender Schlagabtausch: „Hi, IÂŽm Tom. IÂŽm famous.“ – „Hi, IÂŽm Oliver. I`m working on it.”
Die Aufnahme wurde auf Grund der geringen Zeit mit zwei Hasselblad 500 C/M fotografiert die beide synchronisiert waren. Die Kamera die im Bild zu sehen ist, ist auf Tom Hanks Gesicht fĂŒr ein Close up eingestellt.

Cate Blanchett, Berlin 2005
Dieses PortrĂ€t von Cate Blanchett ist in einem abgeschotteten Konferenzraum im Ritz Carlton Hotel entstanden. Die Komposition hat Mark vorher mit zwei Assistenten aufgebaut und ausgeleuchtet. Zeit fĂŒr das eigentliche PortrĂ€t: 2 Minuten. Als Mark noch schnell ein Polaroid machen wollte, wurde von einem der vier PR-Agenten dankend abgelehnt – doch Blanchett flĂŒsterte ihm zu, “take you’re Polaroid!

Richard Serra, Siegen 2005
Richard Serra steht hier in einer seiner Arbeiten, â€čThe blind spotâ€ș, kurz bevor sie zum spanischen Guggenheim-Museum verfrachtet wird. Das Foto hat Mark in Siegen von einem Kran gemacht, bei der Firma Pickhan, die alle seine Skulpturen fertigen. Man muss in einer Serra-Arbeit stehen, um sie zu begreifen. Diese rĂ€umliche Enge – und gleichzeitig weiche, der Natur ausgesetzte Form löst körperliches Wohlbefinden auch emotionale Sicherheit aus.

Graf Ferdinando Brachetti Peretti, Rom 2006
Ferdinando Brachetti Peretti ist Vorsitzender und CEO des italienischen Energieunternehmens, der API Group. Das Bild ist entstanden auf dem Anwesen von Mafalda von Hessen, der Villa Polissena im Norden von Rom. Peretti hatte mal einen Motorradunfall. Oliver Mark hat ihn vor seiner umgekippten Harley fotografiert.

Otto von Habsburg, Pöcking 2006
Mit seinem besten Seidenteppich im GepĂ€ck reiste Mark nach Bayern, um anlĂ€sslich der Millenniumsausgabe der Vanity Fair ein PortrĂ€t von Otto von Habsburg zu fotografieren. Dieser war der Ă€lteste Sohn von Karl I., dem letzten Kaiser von Österreich und König von Ungarn. Otto von Habsburg sitzt im Anzug mit Krawatte auf zwei von Marks Lichtkoffern, ĂŒber die der Teppich drapiert ist, inmitten der Natur. Der Boden ist leicht abschĂŒssig, der Untergrund aus Rasen, und im Hintergrund sind BĂ€ume zu sehen, durch die vereinzelt Sonnenstrahlen fallen. Von seinem Platz aus blickt Otto von Habsburg direkt in die Kamera.

Kinder im Garten von Prinzessin Mafalda von Hessen, Rom 2006
Dieses Bild nahm Mark ursprĂŒnglich fĂŒr AD auf und war 2013/14 in der National Portrait Gallery in London zu sehen. Fotografiert wurde es im Gegenlicht mit einer Hasselblad 500 C/M, einem Carl Zeiss Distagon 60mm 1:3.5-Objektiv und einer starken Blitzlicht-Aufhellung, um die Bewegung einzufrieren. Dies zeigt sich deutlich an den Schatten der Kinder. Als Film wurde ein Ilford HP5 Plus verwendet.

Wolfgang SchÀuble, Berlin 2007
Mittig im Bild ist eine gut gekleidete, mĂ€nnliche Person zu sehen – in Anzug und Krawatte, mit weißem Hemd und geschnĂŒrten Schuhen. Er hat einen wachen Blick und ein sanftes LĂ€cheln; die HĂ€nde liegen im Schoß, die Fingerspitzen berĂŒhren sich. Er sitzt in einer Bibliothek im Rollstuhl. Links hinter ihm steht eine kleine Leiter am BĂŒcherregal. Es handelt sich um die Privatbibliothek des Innenministeriums in Berlin.

Mia Farrow, Berlin 2007
Zeitdruck ist ein stĂ€ndiger Begleiter beim Fotografieren – so auch bei den Aufnahmen von Mia Farrow fĂŒr die Serie „Ich habe einen Traum“ im ZEIT Magazin. Ihre Entnervtheit und das Desinteresse an dem Termin waren fĂŒr Mark deutlich spĂŒrbar. Nach nur zwei Aufnahmen rief er daher, dass er das Bild habe, um sich nicht weiter an dieser Situation abzuarbeiten. Dieser unerwartete Schritt weckte Farrows Interesse an seiner Arbeit und brachte sie aus dem Gewohnheitstrott der unzĂ€hligen Pressetermine. Sie schaute sich schließlich doch Marks Portfolio an, und es entstand dieses Bild – fĂŒr Mark ein unverhoffter GlĂŒcksmoment.

Knut, Berlin 2007
Von Februar 2007 bis Februar 2009 war Oliver Mark Cheffotograf der deutschen Vanity Fair. Eines der vielen Vanity Fair-Cover, die Mark fotografiert hat, war das Titelcover Nr. 14 der deutschsprachigen Ausgabe vom 29. MĂ€rz 2007. Gleichzeitig war es das erste Mal, dass ein Tier – der EisbĂ€r Knut – auf dem Cover eines People-Magazins gezeigt wurde. In diesem Zeitraum wechselte Mark sein Kamerasystem von Hasselblad 6 x 6 cm auf die Mamiya RZ Pro II, da das Format 6 x 7 cm bei seinen redaktionellen Veröffentlichungen weniger Beschnitt bedeutete. Außerdem wurde die Mamiya RZ, unter Verwendung eines Weitwinkelobjektivs, des M 65mm F/4, fĂŒr Marks Fotografie als „Verortung und Handlung im Raum” bedeutsam.

Philipp Demandt, Greifswald 2008
Dieses Portrait von dem Kunsthistoriker und Direktor des StĂ€del Museums und der Liebieghaus Skulpturensammlung in Frankfurt am Main entstand im Pommerschen Landesmuseum vor Caspar David Friedrich’s Zum Licht hinaufsteigende Frau in Greifswald. Mark hat es fĂŒr Das Magazin der Kulturstiftung der LĂ€nder Arsprototo fotografiert. Die passenden Schuhe wurden extra fĂŒr das Portrait von Philipp Demandt erworben.

Angela Merkel, Berlin 2009
„Make a picture – make history.“
Das sagte Queen Elizabeth II. am 2. Juli 2021 zu Angela Merkel, wĂ€hrend sich die beiden den Fotografen zuwandten. Die Szene ist hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=WwUH9KjGJ7g Dieses Treffen war die letzte offizielle Audienz von Angela Merkel als amtierende Bundeskanzlerin bei Queen Elizabeth II. Wann immer Mark sich seitdem mit einem PortrĂ€t von Merkel auseinandersetzt – sei es RĂŒckblickend oder in einer seiner Collaborations, zum Beispiel mit SaĂądan Afif / Oliver Mark – denkt er an diese treffenden Worte.

Nicole Hackert, Jonathan Meese , Gunny Gudmunsdottir, Marc Brandenburg und Bruno Brunett, Berlin 2009
Das Zuhause der Galeristen Nicole Hackert und Bruno Brunett ist beeindruckend stilsicher eingerichtet und bildet hier eine sehr spannende Szenerie. Auf der Aufnahme sind neben Hackert und Brunett auch deren Kinder sowie die KĂŒnstler Jonathan Meese, Gudny Gudmundsdottir und Marc Brandenburg zu sehen. Es war eine freie Arbeit fĂŒr Mark, geplant zur Veröffentlichung in einer Publikation – ein Gesellschaftsbeitrag ĂŒber das zeitgenössische Berlin und seine Kulturszene.Nachdem sie das Bild gemacht hatten, wurde gegrillt. Jonathan Meese schenkte Mark an diesem Abend ein Grillgedicht. Es ist hier zu sehen.

Joachim Gauck, Berlin 2010
Marks PortrĂ€t von Joachim Gauck entstand 2012 in einem Berliner Rosengarten fĂŒr Die Zeit, zur Zeit der Wahl des BundesprĂ€sidenten durch die 14. Bundesversammlung. Gegenkandidat war Christian Wulff, der schließlich auch das Amt ĂŒbernahm. Das Interview und die PortrĂ€taufnahmen fanden zunĂ€chst in einem unscheinbaren Plattenbau statt: ein karger BĂŒroraum mit einem Tisch und drei StĂŒhlen, an den WĂ€nden Raufaser und Tapeten aus den siebziger Jahren, die Beleuchtung bestand aus flackernden Neonröhren an der Decke. Oliver Mark empfand die Location als deprimierend.
In Gehweite entdeckte er jedoch einen Rosengarten. Er machte ein Polaroid des Gartens, zeigte es Gauck, und der ehemalige BundesprÀsident a.D. stimmte zu, das PortrÀt dort aufzunehmen.

Philip Topolovac, Berlin 2010
Als Marks Sohn mit 17 das erste Mal die Arbeit Aggregat von Philipp Topolovac in der oberen Ecke des Studios sah, war er fasziniert und meldete direkt seinen Erbwunsch an. Auf Mark selbst wirkt das Werk mal wie ein StĂŒck aus dem Weltall, mal wie ein Stern – es birgt auf jeden Fall eine gewisse Weite und RĂ€umlichkeit in sich. Vielleicht lĂ€sst es sich also gut von einer Generation zur nĂ€chsten tragen?

Thomas de MaiziĂšre, Berlin 2010
Wie schnell ein Foto entstehen kann, lÀsst sich an dieser Arbeit gut erkennen. Wir befinden uns erneut im Hinterzimmer des Innenministeriums, genauer gesagt am Eingang dazu. Mark kannte diese RÀume, da er SchÀuble dort fotografiert hatte.
Als de MaiziÚre ihm aus diesem Durchgang entgegenkam, forderte er de MaiziÚre auf, an einer bestimmten Stelle stehen zu bleiben. In diesem Moment machte Mark das Foto. Was an diesem Ort, insbesondere im Zusammenhang mit Politik spannend ist, ist das hölzerne Kreuz an der Wand. Diesen Zusammenhang untersucht der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich in seinem Text: Thomas der Fromme

Umberto EcoÂŽs Bett, Mailand 2011
Dieses Bild zeigt eine sehr persönliche Aufnahme aus Umberto Ecos Schlafzimmer: das aufgeschlagene Bett, auf dem eine Prada-Tasche liegt, gefĂŒllt mit verschiedenen Medikamenten, daneben ein KreuzwortrĂ€tsel und ein Buch von Enzo Golino, Madame Storia & Lady Scrittura. Diese Aufnahme, betitelt Titel Umberto Ecos Bed, Mailand 2011, existiert als Silbergelatine-Print in drei Exemplaren im Format 30 × 40 cm.
2011 fotografierte Mark Umberto Eco in seiner großzĂŒgigen MailĂ€nder Wohnung fĂŒr Die ZEIT. Mark hatte Eco gefragt, wo er fotografieren dĂŒrfe, und Eco antwortete schlicht: ĂŒberall. Mark entschied sich fĂŒr die beeindruckende Privatbibliothek des Schriftstellers mit mehr als 30.000 zeitgenössischen BĂŒchern und 1.500 seltenen und antiken BĂ€nden.

Ronald de Bloeme, Berlin 2011
Hauptaugenmerk dieses PortrĂ€ts: ein Körper im Hochformat. Genauer gesagt, eine halb nackte Person – Oberkörper frei, unten eine Jeans. Warum tritt die Nacktheit thematisch hier in den Hintergrund und wird in erster Linie als Körper wahrgenommen? Weil es im Moment der Aufnahme tatsĂ€chlich zwei halbnackte Personen waren: Mark und von de Bloeme. Damit hebt Mark das trennende Element eines Fotoshootings auf, bei dem sich eine Person entblĂ¶ĂŸt und die andere sie beobachtet, und bricht die Hierarchie zwischen Objekt, Kamera und Fotograf. Dies konnte nur entstehen, weil Mark sein Modell respektiert und sich mit dessen Position identifiziert hat. Kompositorisch lĂ€sst sich dies anhand der aufrechten Körperhaltung im Kontrapost und dem ruhigen, in die Ferne schweifenden Blick nachvollziehen.

Erbprinz Maximilian und Erbprinzessin Marissa zu Bentheim-Tecklenburg mit ihren Kindern, Rheda 2012
Die Kamera: Mamiya. Der Prozess: technisch langsam – zuerst spannen, dann klappt der Spiegel hoch, die Blende öffnet sich. Pro Film: 10 Aufnahmen. GrĂ¶ĂŸte Herausforderung: dass kleine Kinder nicht immer stillstehen. Die Masken: zum Schutz der PrivatsphĂ€re der Kinder. Die Komposition: gelungen – erinnert mich an Las Meninas von VelĂĄsquez.

Cameron Carpenter und sein Personaltrainer, Berlin 2012
2012 lernte Oliver Mark den Musiker Cameron Carpenter bei einem Privatkonzert in der Kirche St. Matthias am Winterfeldtplatz in Berlin kennen. Marks Begeisterung fĂŒr Carpenters VirtuositĂ€t und sein Erscheinungsbild war so groß, dass er Jan Koch, damals kurzzeitig Chefredakteur des deutschen Interview Magazins und Herausgeber der Zeitschrift 032c, eine Fotostrecke ĂŒber Carpenter vorschlug. Neben EinzelportrĂ€ts von Carpenter schlug Mark vor, DoppelportrĂ€ts mit prominenten Persönlichkeiten des Berliner Kulturlebens zu fotografieren. Der Stylist Klaus Stockhausen stellte dafĂŒr drei Koffer mit ausgewĂ€hlter Kleidung und Schuhen bereit. Zu den DoppelportrĂ€ts gehörten Aufnahmen der KĂŒnstlerin Katharina Grosse in ihrem Studio und von Margot FriedlĂ€nder und AndrĂ© Schmitz in Schmitz’ Bibliothek.
Als Aufmacher der Serie wĂ€hlte Mark ein Bild von Carpenter und dessen Personal Trainer – nackt auf Carpenter liegend. Die Inspiration dazu entnahm Mark einem Helmut Newton-SelbstportrĂ€t von 1973, das Newton mit einer fast unbekleideten Frau im Bett zeigt. Marks Werk Cameron Carpenter and his Personal Trainer wurde 2012 in der National Portrait Gallery in London ausgestellt.

Madeleine Albright, Berlin 2013
Mark fotografierte Madeleine Albright fĂŒr Die ZEIT vor dem JĂŒdischen Museum und legte dabei besonderen Wert auf das Zusammenspiel von Architektur und Person. Doch nach dem Fotografieren wirkte die Proportion zwischen Mensch und GebĂ€ude durch den metallenen Hintergrund nicht stimmig.
Nach einer FĂŒhrung machte er noch ein einziges weiteres Foto, diesmal mit seiner 680 Polaroid-Kamera – und dabei entstand das beste Bild. Es bleibt ein Unikat.

Tomas Oppermann und Alexander Dobrindt, Berlin 2013
„I just wanna have your energy – that’s it” Oliver Mark
Zuviel verlangt? Was bedeutet das und wie funktioniert das? Hier geht es um die kleine Provokation, die Überraschung – um eine Person vor der Kamera in Bewegung und gleichzeitig Balance zu bringen – von Körperhaltung und Ausdruck. Das Modell aus der Situation wieder in ihren Körper und Geist zu holen. Besonders wenn Mark wie hier in einem eher statischen Setting mit einer Mittelformatkamera und knapper Zeitvorgabe arbeitet.
Die Überraschung fĂŒr Herrn Oppermann (SPD) und Herrn Dobrindt (CSU): ein kleiner Kommentar darĂŒber, dass Mark, der im Vorfeld natĂŒrlich etwas recherchiert hat, sofort erkenne, wer von ihnen gedient habe. Das war die Irritation, die Bewegung – und daraus entstand dieses Bild.

Dieter von Hallervorden, Berlin 2013
Ausgezogen, aber nicht nackt. Das ist ein typischer Mark-Moment. In eine Wolldecke gehĂŒllt wirkt Herr von Hallervorden hier auf mich gedankenversunken, musisch – als ob er einem GefĂŒhl oder einem Klang nachforschen wĂŒrde. Ein solches PortrĂ€t entsteht nur, wenn sich Fotograf und Modell aufeinander einlassen.

Idris Elba, Berlin 2014

 in Handschellen und am Boden gefesselt – das war die Idee fĂŒr ein PortrĂ€t, um eine Verbindung zu Idris Elbas Darstellung von Mandela herzustellen. Als Elbas Assistenz zum Set kam, erschrak sie und intervenierte sofort heftig. Sie forderte Mark auf, das Shooting sofort zu stoppen und die Aufnahmen zu zeigen. Mark erklĂ€rte jedoch, dass es nichts zu sehen gĂ€be, da er auf Film und nicht digital fotografierte. Leider hatte die Inszenierung im Print nicht die gewĂŒnschte Wirkung. GlĂŒcklicherweise entstand nebenbei dieses Close-up, als Elba sich gerade von einem Visagisten den Kopf massieren ließ.

Marcel Reich-Ranicki und Andrew Alexander Ranicki, Frankfurt am Main 2014
Die Zugfahrt von Frankfurt am Main nach Berlin dauert etwa vier Stunden. Mark kam sie jedoch deutlich kurzweiliger vor, als er sie mit Reich-Ranicki und dessen Sohn unternahm.
Hier schaut sich Marcel Reich-Ranicki Oliver Mark Portrait von Daniel Barenboim an.

Der Jungbrunnen, Berlin 2015
Der Jungbrunnen ist ein GemĂ€lde von Lucas Cranach dem Älteren aus dem Jahr 1546. Das Bild gehörte zum Bestand der ehemaligen preußischen königlichen Schlösser und hĂ€ngt heute in der GemĂ€ldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin. Oliver Marks Jungbrunnen ist 2015 in Berlin entstanden und wurde erstmals in seiner Ausstellung No Show 2019 in der Villa Dessauer – Museen der Stadt Bamberg gezeigt. Gelatin silver print, 68,0 x 100,5 cm (printed 2015)

Hoischen / Mark „Christian Louboutin“ 2017
46,9 x 38,4 cm, gerahmt, C-Print, Mischtechnik
Die Zusammenarbeit mit dem KĂŒnstler Christian Hoischen war fĂŒr Mark die erste ihrer Art und bildet die Grundlage fĂŒr seine weiteren Kollaborationsprojekte. Die fotografierten Stilettos stammen aus Marks privatem Schuharchiv – einem Teil seiner Sammlung von Objekten, die ihn inspirieren und die er gerne fotografiert. Hoischen hat die Fotografie bearbeitet, den Gegenstand somit entfremdet und neu komponiert.

Kristen Stewart, Hamburg 2017
Mark wurde vom Stern beauftragt, ein PortrĂ€t von Stewart zu erstellen. Das Ergebnis dieses Auftrags sehen Sie hier. Auf dem Foto sind eine Person und ein Profilschatten zu sehen – beide zeigen zwar dieselbe Person, passen jedoch perspektivisch nicht zueinander. Das liegt daran, dass die Bildelemente separat aufgenommen und spĂ€ter zu einer Komposition zusammengefĂŒgt wurden. Beide Aufnahmen entstanden jedoch am selben Ort: der Elbphilharmonie in Hamburg, anlĂ€sslich einer CHANEL-Modenschau von Karl Lagerfeld. Das klingt zunĂ€chst glamourös – der tatsĂ€chliche Aufnahmeort war jedoch eher unspektakulĂ€r. Die Bilder wurden an der einzigen freien Wand im vollen Foyer aufgenommen, auf dem Weg zu den Toiletten. Eine der Redakteur*innen musste provisorisch den Blitz halten. Doch dem Bild sieht man diese UmstĂ€nde nicht an.

Isa Melsheimer, Berlin 2021
Das PortrĂ€t der KĂŒnstlerin Isa Melsheimer, wĂ€hrend der Corona-Zeit am 31.01.2021 im Studio in the Sky im 11ten Stock vor dem Panorama Berlins aufgenommen, wirkt kompositorisch beinahe wie eine Malerei. Durch die LichtverhĂ€ltnisse – innen ist es genauso hell wie außen – entsteht eine einheitliche Bildebene. Die Farben sind winterlich kalt: schwarzer Molton-Stoff, helle Haut und eine rote Maske. Diese halbtransparente Maske, ein Werk der KĂŒnstlerin, wird thematisch durch den aufgeschnittenen Stoff im Hintergrund weitergefĂŒhrt. Dadurch entsteht eine Unklarheit darĂŒber, wessen Sichtfeld eingeschrĂ€nkt wird – das der Person vor oder hinter der Kamera. Gleichzeitig bleibt dennoch alles klar erkennbar: kontrastreich und prĂ€zise. Das Bild wird so zu einem gelungenen kleinen Kommentar ĂŒber die Frage, inwiefern und wodurch eine Person eingeschrĂ€nkt wird.

Klaus Mertens SJ, Berlin 2023
Ein hochformatiges PortrĂ€t zeigt eine Person in einem weißen Chormantel. Der Körper ist halb gedreht, die HĂ€nde ragen aus den weiten Ärmeln, und die Finger sind leicht ineinander verschrĂ€nkt, ohne sich zu verkreuzen. Der Kopf ist zur Seite geneigt, der Blick schweift in die Ferne. Unmittelbar dahinter spannt sich ein hellblaues Tuch ĂŒber eine BrĂŒstung, die die untere BildhĂ€lfte bis zur Taille der Figur fĂŒllt. Auf der Höhe des Kopfes breitet sich eine graue, dĂŒstere Gewitterwolke aus. In der Mitte des Bildes zeichnet sich ein Horizont ab, auf dem zwei GebĂ€ude sichtbar sind, wĂ€hrend Sonnenstrahlen eine Ahnung von Licht auf die Wolken in der Ferne werfen. Wer ist diese Person, die vor diesem unheilvollen, aber vergĂ€nglichen Hintergrund aus Natur, Stadt und Inszenierung so eindringlich hervorsticht? Pater Klaus Mertes, bekannt als der erste geistliche, der sexuellen Missbrauch durch Priester öffentlich machte.

Joachim Lenz, Ventotene 2024
Zusammen mit elf weiteren KĂŒnstlern nahm Mark im Sommer 2024 an IN/SU/LA, einem RESIDENCY PROGRAM AND EXHIBITION PLATFORM FOR EUROPEAN ARTISTS auf Ventotene im Tyrrhenischen Meer teil. Die kleine Insel liegt hinter Ischia, etwa zwei Stunden mit der FĂ€hre von Neapel entfernt. Die bĂŒstenhafte Profilaufnahme des KĂŒnstlers Joachim Lenz entstand vor den Ruinen der Villa Giulia, die im 2. Jhd. v. Chr. von Augustus als kaiserliche Sommerresidenz erbaut wurde. Seit dieser Zeit ist der Ort mit Verbannung verbunden: Augustus schickte seine Tochter Julia hierher, da sie sich seinen Sitten nicht unterwerfen wollte. Auch folgende Kaiser nutzten die Insel als Exil fĂŒr weibliche Familienangehörige. Weit ĂŒber diese Zeit hinaus, bis in die 1940er Jahre, diente Ventotene der Isolation von Menschen, die als unliebsam galten. Heute ist die Insel touristisch erschlossen, jedoch eher unbekannt und besitzt einen rauen, nicht besonders gefĂ€lligen Charakter.

Es wird weitergehen